SG Walldorf Astoria 1902 e.V.
Abteilung Leichtathletik
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    Beitrag der Abteilung Leichtathletik in der Festschrift "SG Walldorf Astoria 02 e.V. 1902 - 1992

    von Peter Weisbrod


    Wenn die Sportgemeinschaft "Astoria" in diesen Tagen ihr 90jähriges Vereinsjubiläum feiert, dann sind selbstverständlich auch die Leichtathleten mit von der Partie. So ganz und gar unzweifelhaft ist das freilich auch wieder nicht, datiert doch die Gründung einer eigenständigen Leichtathletikabteilung erst aus den frühen 30er Jahren - merkwürdigerweise weiß niemand die genaue Jahreszahl -, doch fehlen in jedem Falle ein paar Jährchen zur vollen Jubiläumsreife. Letzteres darf dennoch getrost in Anspruch genommen werden, wenn man weiß, daß im Verein tatsächlich von Beginn an Leichtathletik getrieben wurde. In den frühen Jahren des Walldorfer Sports waren es namentlich die Turner, die sich regelmäßig in Leichtathletischen Disziplinen übten, die bei ihren Mehrkämpfen auch liefen, sprangen und warfen und damit schon damals eine Tradition sportlicher Vielfalt begründeten, die sich in der Astoria bis auf den heutigen Tag erhalten hat.

    Irgendwann am Anfang der 30er Jahre mag es dann gewesen sein, daß aus den in jenen Tagen populären Arbeitersportgruppen ein Leichtathletikverein hervorwuchs, der logischerweise in der zu diesem Zeitpunkt bereits existierenden Sportgemeinschaft seine natürliche Heimstatt fand. Die damaligen "Gründerväter" zauderten nicht lange, warteten sogleich mit überregional anerkannten Leistungen auf und stellten mit Hans Werner einen der bekanntesten und beliebtesten Walldorfer Sportler der Vor- und Nachkriegszeit. Sicherlich sind auch Namen wie Karl Stephan, Wilhelm Willinger oder August Aldinger den älteren Walldorfern noch geläufig. Sie setzten Maßstäbe, die lange Zeit für die nachfolgenden Generationen Gültigkeit behalten sollten.

    Nach dem Krieg und in den 50er Jahren wurde es zunächst still um die Walldorfer Leichtathletik, in die erst im Lauf der 60er Jahre wieder Leben kommen sollte. Sportler wie Roland und Walter Lörsch, Dieter Herrmann, Reinhard Meinert, Hans Astor knüpften mit Erfolg an die Leistungen der "Altvorderen" an und brachten die Astoria wieder in die Siegerlisten von Sportfesten und Meisterschaften. Der Gewinn des Badischen Meistertitels im 800 m-Lauf von Dieter Herrmann ragt dabei als Höhepunkt aus dieser Zeit heraus.

    Die großen Jahre der Astoria-Leichtathleten kamen mit dem Ende der 60er Jahre. Sie wurden eingeleitet von einer Handvoll Sprintern, die sich anschickten, den reputierten USC Heidelberg herauszufordern - damals nicht nur im Basketball, sondern auch in der Leichtathletik eine Macht.

    Sie begründeten damit eine bis heute andauernde sportliche Rivalität, gaben aber vor allem dem Leistungssport in der Astoria enormen Auftrieb. Mit den Aktiven Reinhard Binz, Werner Matheis, Dieter Schell, Günter Willinger sowie mit ihrem Trainer Walter Fritz ist der Beginn dieses Walldorfer "Sprint-Wunders" verbunden. Es sollte über ein Jahrzehnt andauern und die Staffeln der Astoria in die süddeutsche Elite bringen. Unvergessen bleiben z. B. die Kreismeisterschaften 1974, als in den Vorläufen über 4 x 100 m nacheinander die Erste Staffel und dann auch noch die Zweite ausfielen, aber am Ende die Dritte noch gut genug war, um den Titel nach Hause zu laufen.

    Die Glanztaten der Sprinter zogen rasch auch Leistungssteigerungen in anderen Disziplinen nach sich und bescherten den Astorianern einen rasanten sportlichen Aufstieg. Erfolgreiche Athleten wie Claus-Dieter Föhrenbach, Hartmut Hirsch, Friedel Wolf, Karlheinz Treiber, Richard Clausing, Ludwig Schlicksupp sind den Kennern des Walldorfer Sports gewiß noch genau in Erinnerung wie Ulrich und Peter Weisbrod, Rüdiger Zeltmann, Klaus Werther, Bernd und Volker Uhrig - er ist nach einem tragischen Unfall nicht mehr am Leben, es sei seiner an dieser Stelle mit besonderer Herzlichkeit gedacht. Sie alle und viele andere holten für die Astoria eine Vielzahl von Siegen, Meisterschaften und Plazierungen und sorgten dafür, daß das rote Trikot mit dem weißen "W" zu einem Markenzeichen in den Arenen in unseren Raum wurde. Als größter Triumph konnte im Jahre 1975 der Gewinn der Badischen Mannschaftsmeisterschaft in der Regionalliga der Männer verbucht werden, in dessen Gefolge unser Team von 1975 bis 1978 sich ununterbrochen für die süddeutsche Regionalliga-Finalrunde qualifizierte und dabei manch renommierten Großverein hinter sich ließ. Mit dem Ausklang des Jahrzehnts ging auch der Höhenflug der Walldorfer Leichtathletik zu Ende. Was folgte, waren die sprichwörtlichen sieben mageren Jahre. Nur noch wenige Aktiven vermochten sich in dieser Zeit überregional zu profilieren, wie z. B. der Langstreckler Stefan Dürr oder die beiden "Heinzmänner" Dieter und Rolf, wobei letzterer immerhin zum erfolgreichsten Mehrkämpfer im Lande avancierte. Doch ist jener Zeitabschnitt - im Rückblick gesehen - keineswegs eine Zeit des Mißerfolgs. Sie wurde vielmehr dazu genutzt, die Schüler -und Jugendarbeit in der Abteilung auszuweiten und für die Walldorfer Jugend einen breiten Übungsbetrieb bereitzustellen. Intensive und geduldige Nachwuchsarbeit war angesagt. So schickte man z. B. 1983 nicht weniger als 9 Schüler- oder Jugendmannschaften in die jeweiligen Meisterschaftsrunden, in den folgenden Jahren bis 1991 waren mehr als 50 Nachwuchs-Teams bei Badischen Mannschaftsmeisterschaftsdurchgängen am Start und brachten dabei zahlreiche Plazierungen und sogar Meistertitel mit nach Hause. Nicht von ungefähr kommt es sicherlich auch, daß gerade in dieser Zeit die Astoria eine Ulrike Sarvari hervorbrachte, die es später, wenngleich in Trikots anderer Vereine, bis zur Europameisterin bringen sollte. Für herausragende Jugendarbeit wurde die Astoria schließlich 1987 vom Badischen Leichtathletikverband ausgezeichnet.

    Nicht zuletzt dieser aufwendigen Nachwuchsarbeit ist es zu verdanken, daß es seit einiger Zeit sportlich wieder deutlich bergauf geht. Mit dem Junioren- Europameisterschaftsteilnehmer Rüdiger Müller, dessen vieltalentierte Schwester Silke, dem süddeutschen Hürdenmeister Rainer Siebold, dem Mehrkämpfer Rainer Bender , dem Langstrecken-As Jürgen Herzog und etlichen anderen verfügt, die Astoria wieder über eine schlagkräftige Truppe, die in der laufenden Saison bereits 13 Kreismeister und sogar 15 Badische Meistertitel einfahren konnte. Bei den Sportlerehrungen der Stadt Walldorf waren dann auch die Leichtathleten zuletzt wieder eindrucksvoll vertreten. Und die Tatsache, daß im vergangenen Jahr drei von vier Titeln "Sportler des Jahres" an die Leichtathletikabteilung gingen, verweist gleichermaßen auf sportliche Stärke wie auf die Beliebtheit der Leichtathleten bei der Walldorfer Bevölkerung. Doch soll hier nicht nur von Leistungen und Erfolgen gesprochen werden. Die Leichtathletikabteilung ist natürlich auch eine soziale Stätte, in der sich Menschen begegnen, sich austauschen, sich streiten, sich gemeinsam freuen, feiern. Auch was diesen Aspekt betrifft waren die Leichtathleten nie Kinder von Traurigkeit. Die Vorgeschichte wimmelt von Anekdoten, unglaublichen Begebenheiten, Geschichtchen, Possen. An unverwechselbaren Originalen und prägnanten Persönlichkeiten herrschte nie(1) Mangel. Neben mühevollem Training kam stets auch die Geselligkeit zum Zuge. Und wo Leichtathleten auftauchten, kamen auch noch immer die Wirtsleute auf ihre Kosten. Das Vereinsleben beförderte lebenslange Freundschaften, stiftete Beziehungen und Lebensgemeinschaften, prägte Biografien. Ganz wie es sich einem für einen normalen Verein hierzulande gehört. Ein klein wenig greller, allenfalls.

    Die Leichtathleten hatten es in all den Jahren nicht immer einfach mit der Sportgemeinschaft und diese auch nicht mit den Leichtathleten. Namentlich in den 70er Jahren gab es manche Unstimmigkeiten. Während die einen oft ihre Erfolge nichtgenügend gewürdigt glaubten und sich gelegentlich bei der Verteilung von Übungszeiten in der Astoria-Halle benachteiligt und als bloße Randfiguren eines sich in erster Linie als Handball- und Fußballclub verstehenden Vereins wähnten, mußte den anderen

    allein schon die Anhänglichkeit der Leichtathleten gegenüber dem FC verdächtig vorkommen. Auch die damalige Arbeitskultur", die nicht unwesentlich von der 68er Bewegung beeinflußt war - gar mancher zog sich das rote Trikot nicht ohne Inbrunst über - wollte nicht so ganz zu den Ritualen eines üblichen Vereinslebens passen. Nur allzuoft war daher damals vom Austritt aus der SG und von Selbständigkeit der Leichtathleten die Rede. Derlei Anfechtungen widerstand man jedoch und man versagte sich auch dem damaligen Trend, sich mit anderen zu einer überörtlichen Leichtathletikgemeinschaft zusammenzutun. Man blieb in der Astoria und man tat gut daran. Heute sind die Beziehungen zwischen Abteilung und Gesamtverein tadellos. Beide Seiten wissen, was sie aneinander haben. Und nachdem Schulsporthalle, Stadion und Clubhaus schon längst stehen, gibt es auch nur noch wenig, über das man in Streit geraten könnte. Höchstens noch über den Rasen im Stadion.

    Vorübergehend war die Leichtathletik selbst von Abspaltungsprozessen bedroht. 1985 verließ eine Gruppe überwiegend jugendlicher Mitglieder unter großem Lärm die Astoria. Sie fand kurzfristig beim TV Jahn Unterschlupf und bemühte sich, einen zweiten Leichtathletikclub in Walldorf zu etablieren. Wie erwartet scheiterte dieses Unterfangen, die Überreste jener Gruppe sind heute als Sport-Wanderzirkus von Verein zu Verein unterwegs. Das Ganze blieb damit - zum Glück - nur eine Fußnote in der Vereinsgeschichte.

    Eine der Stärken der Astoria-Leichtathletik ist gewiß die personelle Kontinuität. Ungezählte Aktive standen und stehen der Abteilung als Trainer, Übungsleiter, Funktionär und Helfer zur Verfügung und machen so den breitgefächerten Übungs- und Wettkampfbetrieb erst möglich. Doch wenn von Kontinuität die Rede ist, so muß Reinhard Meinert genannt werden, der - auch unter den Pseudonymen 'Reinhard Weitsprung" oder schlicht 'Johnny" bekannt - bereits seit 1970 als Abteilungsleiter amtiert. Mit seinem Namen verbinden sich gleichermaßen Höhepunkte, Abstieg und Wiederaufschwung der Walldorfer Leichtathletik und er verkörpert schlechthin deren Doppelidentität als volkstümlicher Stadtverein mit gleichwohl leistungssportlichem Anspruch. Er - Heißsporn und Mittler in einem -, der genauso bald bis zum Übermaß zu polarisieren versteht, wie er die versprengten Streithähne hernach wieder harmonisch um sich zu scharen weiß, darf fast als Idealtyp nicht nur der Leichtathletikabteilung, sondern vielleicht sogar der Sportgemeinschaft insgesamt angesehen werden.

    Indes erweisen sich Leichtathleten bei der Führung ihrer Abteilung als wahre Mannschaftssportler, die zahlreiche Amtsträger, Mit- und Zuarbeiter zu einem schlagkräftigen und zuverlässigen Organisationsstab zusammengeführt haben. Stellvertretend für alle seien hier Horst Dobhan, Gunter Horny , Roland Kögel und Rolf Pietzsch genannt. Ihrem verdienstvollen Einsatz und dem anderer ist nicht nur der gedeihliche Ablauf der Abteilungsgeschäfte, sondern auch der Umstand zu verdanken, daß sich die Astoria als Veranstalter von Sportfesten und Ausrichter von Meisterschaften einen guten Ruf erworben hat und auch außerhalb des Vereins als verläßlicher Partner angesehen ist. Die Walldorfer Leichtathleten präsentieren sich also im Jubiläumsjahr als quicklebendiger Haufen, der selbstbewußt den Kelch erheben darf, wenn in diesen Tagen auf das Wohl des Sports in Walldorf angestoßen wird. Sie danken aus diesem Anlaß all denjenigen, die ihnen bisher mit Rat, Tat und finanzieller Unterstützung zur Seite gestanden haben und wünschen den Besuchern der Jubiläumsveranstaltungen alles Gute, den Teilnehmern am Jubiläumssportfest viel Erfolg.

    Abteilungsführung Leichtathletik
    1. Abteilungsleiter: Reinhard Meinert
    2. Abteilungsleiter: Roland Kögel
    Schriftführer: Dieter Heinzmann
    Jugendwart: Bettina Jantzen
    Kassenwart: Horst Dobhan
    Sportwart: Reinhard Binz
    Schülerwart: Gunter Horny
    Veranstaltungswart: Gunter Horny
    Pressewart: Dieter Heinzmann
    Statistiken: Dieter Herrmann
    Gerätewart: Rolf Pietzsch

    (1) In der Festschrift fehlt das Wort "nie", wodurch der Satz einen falschen Sinn erhält. Der Fehler konnte im Originalmanuskript nachvollzogen werden.